Das Schiff kommt nicht, wie geplant am nachmittag des 3. Tages in Bhamo an. Wegen des niedrigen Wasserstandes muss der Motor immer wieder ausgeschaltet und das Boot zaghaft zwischen den Sandbänken hindurchmanövriert werden.
Am vierten Morgen ist es dann soweit. Allerdings haben mich meine Boot-Jungs mit meinem Soldaten-Übersetzer ziemlich verunsichert. Was ich denn eigentlich dort wolle, ich dürfe die Stadt aus Sicherheitsgründen sowieso nicht verlassen. Ich entschließe mich kurzerhand am nächsten Morgen wieder mit dem Schiff zurückzufahren, dann kann ich auch mit leichtem Gepäck auf Zimmersuche gehen. Trotz der Panikmache sind die in Frage kommenden Hotels voll. Ich bekomme gerade noch ein Zimmer, weil ich nur eine Nacht bleibe. Beim Frühstück, das ich einen Tag vorziehe, treffe ich eine ältere Dänin, die gerade von einer Reise in den Norden zurückkommt. Sie meint es wäre doch gerade Waffenstillstand und sieht alles recht entspannt. Ich bin verwirrt, habe aber zuwenig Hintergrundwissen um einzuschätzen, wer nun recht hat. Die Dänin, die gerade abreist, bleibt die einzige Weiße, die ich an diesem Tag in Bhamo sehe. Scheinbar kommen doch viele Touristen aus dem asiatischen Raum, besonders aus Indonesien, Malaysia, Thailand und den Philippinen. Für diese Länder ist die Oeffnung Myanmars es eine ähnliche Situation wie für uns die Öffnung des eisernen Vorhangs.
Bhamo ist eine nette Provinzstadt. Übersichtlich und nicht zuviel Verkehr. Ich leihe mir ein Fahrrad und erweitere so meinen Erkundungsradius. Sobald ich das Zentrum hinter mir habe, wird es richtig idyllisch. Mein Ziel ist eine, im Reiseführer beschriebene Bambusbrücke, die zur Regenzeit immer abgebaut und anschließend wieder aufgebaut wird. Inzwischen gibt es allerdings zwei Brücken und die neue macht einen ziemlich stabilen Eindruck. Ich komme an Reisfeldern vorbei und irgendwie mutet alles schon ein bisschen mehr chinesisch an. Die Menschen rufen alle helo, statt Mingelaba - ob sie hier schon wieder eine andere Sprache sprechen? In einer Hütte probt eine Jugendband sehr traditionelle Musik mit für mich fremden Instrumenten. Ich frage, ob ich zuhören darf und bekomme gleich einen Tee hingestellt. Insgesamt macht alles auf mich einen sehr freundlichen und friedlichen Eindruck. Abends fühle ich mich doch ein bißchen einsam. Das Reisen abseits der Touristenströme hat seinen Preis. Dass so gar keine backpacker unterwegs sind, damit hatte ich nicht gerechnet. Die Einheimischen sind zwar nett, aber die Sprachbarriere leider unüberwindbar. Wie spannend wäre meine Reise erst, wenn ich die Sprache sprechen könnte. Auf meinem Streifzug durch die Stadt werde ich noch einmal Zeugin des so völlig anderen Geschmacks.....Ein großer Turm mit Big Ben Glockenschlag ist über und über mit bunten und blinkenden Neonlichtern illuminiert. Im Innenraum gibt es eine Ausstellung mit Devotionalien, der Tisch ist vollgestopft mit fuer mich recht scheusslichen Dingen. Und wieder findet sich diese Parallelität von tiefer Andacht und wildem Fotografieren. Wobei ersteres häufiger bei den Älteren und letzteres vermehrt bei den Jüngeren festzustellen ist. Auch ich werde wieder mehrfach angefragt. Wahrscheinlich befinde ich mich inzwischen auf etlichen facebook Seiten. Es scheint ein größeres Fest zu sein. Es gibt Musik, eine Fußballvorführung, eine Prozession und schließlich eine Art Gottesdienst, gehalten von einem Mönch.
Am nächsten Morgen ist es fast wie nach hause kommen. An einer lecker riechenden Bude an der Anlegestelle treffe ich zwei der Köchinnen vom Schiff, die mich direkt zum Frühstück einladen. Anschließend an Bord gibt es ein großes Hallo und nachdem ich geklärt habe, dass der Salat nicht mit Flußwasser gewaschen wird, kann ich mittags auch den Fischcurry mit Salat so richtig geniessen.
Zum Sonnenaufgang ist die Stimmung am Fluss besonders schön. Dann überdeckt der Morgennebel den Dunst und gibt der Landschaft etwas mystisches.
Am nachmittag halten wir, um neue Ladung aufzunehmen. Aus der geplanten Stunde werden schließlich vier. Die Gegend scheint vom Zuckerrohranbau zu leben. Massen von Fässern, prallgefüllt mit einer brauen, klebrigen Masse müssen auf das Schiff geschafft werden. Statt Lastkränen gibt es die jungen Männer des Dorfes, die die Fässer an einem Stab hängend, zu zweit über die zwei Holzplanken ins Schiffsinnere balancieren. Eine Knochenarbeit. Danach wartet noch eine ähnliche Anzahl von weissen Säcken, die schätzungsweise 100 kg pro Stueck wiegen. Von den Jungs braucht heute keiner mehr ins Fitnessstudio:-)
Ich nutze die Zeit um durch den Ort zu schlendern. Es ist wieder einer dieser wunderschönen Orte, die sich in den letzten Jahrzehnten vermutlich kaum verändert haben. 1 kleiner LKW begegnet mir, ansonsten nur Fußgänger, Fahrräder und Mopeds. Ein junges Mädchen fordert mich auf, auf ihrem Moped mitzufahren. Das erspart mir zumindest das ständige "Mingelaba". Auf dem Rückweg hält uns ein anderes Moped an. Der Fahrer ist ein junger Mann mit kariertem Longyi und weißem T-Shirt. Der Dorfpolizist, wie sich herausstellt. Er möchte meinen Pass sehen und notiert sich alles ganz genau. Danach läßt er es sich nicht nehmen, mich persönlich zur Anlegestelle zu fahren.
Auf der anderen Seite der Anlegestelle befindet sich ein Kloster. Ein wunderschönes altes Teakholzgebäude mit einem etwas morbiden Charme und einer wunderschönen Umgebung. Alleine für diesen Zwischenstop hat es sich schon gelohnt, wieder mit dem Schiff zurückzufahren. Auch der Zwischenstop am Abend wird zu einem besonderen Erlebnis. Einer der Schiffsführer nimmt mich mit in ein Restaurant, wo er alle zu kennen scheint. Zu fünft sitzen wir auf der Terasse, picken mit Stäbchen von einem gemeinsamen Teller mit frittierten Hähnchenstücken und trinken Myanmar, das einheimische Bier. Es kann auch ohne Sprache lustig sein......
Wieder habe ich Glück, dieses mal ist eine 4 koepfige Familie an Bord und der junge Mann war einige Jahre in einer Missionsschule, wo er ein bißchen Englisch gelernt hat. Die jüngste Tochter hat einen Luftröhrenschnitt oder etwas ähnliches und einmal im Monat macht sich die Familie auf den Weg ins Krankenhaus nach Mandaley. Sie wohnen in den Bergen an der chinesischen Grenze, nochmal ca. 60 Meilen hinter Bhamo. Auf dem Landweg wäre es schneller, aber das Baby verträgt die Busfahrt nicht, ebenso wie im Uebrigen viele andere Burmesen. Daher gehören Kotztüten in den Bussen zur Standardausstattung und werden laut Erzählungen auch fleißig genutzt (bisher konnte ich diese Erfahrung umgehen)
Jetzt erfahre ich aus 1. Hand mehr über die Sicherheitslage im Staat der Kachin. Alle hatten irgendwie recht. Der See, an den die Dänin gereist war, ist sicher, wenn man eine bestimmte Anreiseroute wählt. Kritisch ist die Zone nördlich von Bhamo , da dort die Unabhängigkeitsarmee des Kachin Staates lebt. Obwohl es offiziell einen Waffenstillstand gibt, hat er wenig Hoffnung, dass die Kämpfe bald aufhören. Die Kachin wuerden sehr nationalistisch denken, haetteb noch kein Vertrauen ins neue Parlament und die meisten Menschen seien wenig gebildet und das kämpfen wuerde zu ihrem Leben gehören. Vom Abholzen der Wälder berichtet auch er und ist der Überzeugung, dass sowohl die Kachin Unabhängigkeitsarmee als auch die Regierungsarmee Geschäfte mit den Chinesen machen und das Geld in die eigene Tasche stecken. Die Chinesen wiederum liefern Waffen, vermutlich an beide Parteien, und sind die eindeutigen Nutznießer des Konfliktes.
Auf die Chinesen ist er ohnehin nicht gut zu sprechen. Sie wären nur hinter den Rohstoffen her und würden ansonsten ihre Grenznachbarn als Menschen 2. Klasse behandeln. Aber auch innerhal des Kachin Staates ist nicht eitel Sonnenschein. Weite Teile wurden von den Missionaren christianisiert, ein Teil römisch-kath. ,der andere von den Baptisten. Die beiden Gruppen verhalten sich untereinander wie Katholiken und Protestanten bei uns vor 60 Jahren.
Trotz all der neuen Informationen bin ich froh, mich fuer die Rueckfahrt entschieden zu haben. Zum einen werde ich all die Erlebnisse auf dem Schiff so schnell nicht vergessen, zum anderen habe ich auch Lust mal wieder andere Reisende zu treffen. Sosehr ich es liebe abseits der Touristenrouten zu reisen, ein bisschen einsam ist es auf Dauer schon. Mutig wähle ich direkt das volle Kontrastprogramm und mache mich auf den Weg nach Bagan, der Stadt mit der vermutlich höchsten Touristendichte in Myanmar.
Wer kauft das? Im Strassenbild sieht man nur lange Roecke... |
Prozession vor dem Big Ben |
Geschmackssache..... |
Die Jugendband bei der Probe |